Mit 103 Jahren ist Lothar Frank gestorben. Viele junge Filmautoren werden ihn gar nicht gekannt haben. Lange zuvor hatte er sich aus den Aktivitäten des BDFA zurückgezogen.

Einer meiner ersten Wettbewerbsbesuche hat sich mir nicht nur wegen meines eigenen Filmes eingeprägt. Da saß ein älterer Herr in der Jury, der langsam und mit Bedacht Eindrücke formulierte, die ihn aufgrund der projizierten Filme beschäftigten. Da war jemand, der keine kleinkarierte Kritik handwerklicher Details äußerte. Er setzte höher an. So erschlossen sich den Zuhörern Einsichten, die selbst bei kleinen Filmen Substanz erkennen ließen. Herr Franck bot mit seinen Formulierungen den Zuschauern an, über das Gesehene hinaus zu denken, der Blick wurde geweitet. Für aufmerksame „Filmamateure“, wie sie damals noch genannt wurden, ergaben sich grundlegende Anregungen für die eigene Filmarbeit.
Klar war für mich, ein Seminar zu besuchen, welches Herr Franck zur Filmbewertung und Filmbeurteilung durchführte. Erwartungsgemäß erhielten wir von ihm keine Rezepte sondern wurden motiviert über Film an sich nachzudenken. Seine Ausführungen basierten auf philosophischem und literarischem Hintergrund, reflektierter Lebenserfahrung und genauem Beobachten. Alle wesentlichen Bücher seiner Buchhandlung schien er dabei im Kopf zu haben. Mit großer Zurückhaltung ließ er andere Meinungen gelten, seine eigene Auffassung vermochte er jedoch immer vertiefend zu begründen. Mich faszinierte immer, daß er auf der Grundlage einer immensen Bildung zwar hohe Ansprüche an künstlerisches Gestalten formulierte, dies aber mit großer Toleranz und Interesse an Versuchen und Experimenten verband. Folglich konnten wir ihn besonders häufig als Juror bei der FANTEX erleben.
Als Juryreferent für den gesamten BDFA – damals noch ohne DDR – pflegte er regen Kontakt mit dem BDFA-Vorstand und allen Jury-Beauftragten der damaligen „Regionen“. Seine Äußerungen hatten Gewicht, seine Beurteilungen waren umfassend, präzise und klar. Für die UNICA erarbeitete er die bis heute geltenden Jury-Richtlinien.
In nahezu endlosen Gesprächen, durfte ich mit ihm bis tief in die Nacht zusammen sein. Dabei betonte er immer wieder die gesellschaftliche und kommunikative Funktion des Amateurfilmes und definierte diesen im positiven Sinne als Volkskunst von gesellschaftlichem Wert.
Seine Begeisterung für hervorragende Amateurfilme und die Wertschätzung deren Autoren prägten sein Engagement. Mit seiner Persönlichkeit hat er in den 70er und 80er Jahren die Filmbewertung und -beurteilung und deren Bedeutung für den BDFA wesentlich geprägt.


Herbert Du Bois